Therapie mal anders - Therapeutisches Klettern und Feldenkrais bei Morbus Parkinson
Neben den klassischen therapeutischen Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie u. ä. finden auch Konzepte ihren Platz in der Behandlung von Parkinson-Patienten, die auf den ersten Blick eher unkonventionell erscheinen. Das Therapeutische Klettern und die Feldenkrais-Methode sollen in diesem Zusammenhang vorgestellt werden.
Therapeutisches Klettern
Das Therapeutische Klettern stellt eine funktionelle Therapieform dar, welche sowohl bei orthopädischen und neurologischen Beschwerdebildern als auch in der psychosozialen Prävention und Rehabilitation eingesetzt werden kann. Es entwickelte sich aus einer spielerischen und urtümlichen Form des Kletterns, dem sogenannten Bouldern. Hier bewegt man sich ohne Seil in geringer Absprunghöhe am Fels oder an der Kletterwand (1).
Durch das gezielte (Fort-)Bewegen an einer Wand über Handgriffe und Fußtritte in aufrechter Körperposition ist eine ständige Anpassung der Körperspannung erforderlich. Damit werden hohe Anforderungen an die intra- und intermuskuläre Koordination, die Wahrnehmung und die Beweglichkeit gestellt. Ungünstige Spannungsverhältnisse der Muskulatur sollen verbessert und gestörte Bewegungsabläufe reorganisiert werden. Weiters stehen die Kräftigung bestimmter Muskelgruppen (Rumpf-, Arm- und Beinmuskulatur) sowie die Verbesserung der Posturalen Kontrolle (der Fähigkeit, unter dem Einfluss der Schwerkraft den Körper aufrecht halten zu können) im Vordergrund.
Der Vorteil beim Klettern ist, dass es sich dabei um natürliche, funktionelle Bewegungsmuster handelt, die sich leichter bzw. nachhaltiger im Gehirn abspeichern lassen. Durch das (vereinfacht gesagt) „Krabbeln in der Senkrechten“ sollen automatisierte Bewegungsmuster aus der kindlichen Entwicklung stimulieren und so dem Funktionsverlust bei M. Parkinson entgegenwirken (vgl. 1). Weitere wichtige Zielstellungen beim Therapeutischen Klettern finden sich auf psychosozialer Ebene. Das Klettern macht vielen Patienten nicht nur Spaß, sondern hilft auch beim Abbau von Ängsten, steigert Achtsamkeit und Selbstwert und stellt auch Anforderungen an die Aufmerksamkeitsleistungen dar (2).
In der Klinik Pirawarth wird seit 2008 Therapeutisches Klettern angeboten und findet breiten Anklang bei unseren Patienten. Mit einem Sportwissenschafter oder Physiotherapeuten arbeiten abwechselnd zwei Patienten an der Kletterwand. Die Belastungsintensität lässt sich über den Neigungswinkel der Kletterwand steuern. Dieser kann entweder neutral (senkrecht, 90 °), positiv (Winkel größer als 90 °) oder negativ (Winkel kleiner als 90 °) gewählt werden. Bei positiver Wandneigung werden verstärkt die Beinmuskulatur bzw. die Muskelketten der Körpervorderseite aktiviert. Negative Wandneigungen stellen größere muskuläre Herausforderungen, besonders an die Armmuskulatur dar. Unterschiedliche Griffvariationen betonen spezifische Muskelgruppen bzw. Muskelketten.
Zunächst wird die Grundposition erarbeitet, aus der alle Bewegungsabläufe für spezifischere Übungen abgeleitet werden können. Aus einer Fülle an möglichen Übungen wird der Therapeut vor allem solche auswählen, die den Parkinson-Patienten besonders in folgenden Punkten fordert: Mobilisierung der Wirbelsäule, Rotationsbewegungen und Lateralflexion (Seitneigung). Die Körperstreckung kann unter anderem durch Hinauf- und Hinunterklettern herausgefordert werden. Alternierendes Lösen von Händen und Füßen, gleichseitig oder diagonal, dient der Veränderung der Körperspannung und Kräftigung der Muskulatur (vgl. 3).
Abschließend sei noch erwähnt, dass derzeit die ambitionierte Form des Kletterns mit Seilsicherung an höheren Wänden, nämlich das Sportklettern, Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie der Medizinischen Universität Wien ist (4). Das Projekt „Climbe up, Head up“ untersucht die Effekte von Sportklettern auf die Lebensqualität von Parkinson-Patienten, Probanden werden noch gesucht!
Feldenkrais-Methode
(in Zusammenarbeit mit Mag. Irene Zörner und Mag. Josef Schmid)
Die Feldenkrais-Methode ist ein pädagogisch-therapeutisches Anleitungsprinzip, bei dem die Wahrnehmung des Übenden für seine eigenen Bewegungen und Körperhaltungen geschärft wird, es soll Bewusstheit durch Bewegung entstehen. Moshe Feldenkrais, der Begründer des nach ihm benannten ganzheitlichen Konzepts, bezeichnet dies auch als „organisches Lernen“. Es verhilft dem Übenden, den eigenen Körper besser wahrzunehmen und unbewusste Bewegungsmuster kennenzulernen. Alternativen zu ungünstigen, eingeschliffenen Bewegungsabläufen sollen entwickelt werden, indem das bewusste Erspüren für positive Bewegungen geübt wird (vgl. 5, 6). Wozu soll das dienen? Moshe Feldenkrais erklärt dazu in etwa (6):
„Erst wenn ich weiß, was ich tue, kann ich tun was ich will“.
„... mache das Unmögliche möglich, das Mögliche leicht, und das Leichte elegant.“
„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper, sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde in jeder einzelnen Form.“
Grundannahme der Feldenkrais-Methode ist, dass Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Bewegen nicht isoliert sondern miteinander vernetzt sind. Die Bewegung ist Ausdruck der ganzen Person. Hinter den Bewegungsmustern und Körperhaltungen stehen Lebensmuster und geistige Einstellungen. Wenn diese negativ sind, ist die geistige und körperliche Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Durch Veränderung der Körperwahrnehmung wird hier wieder ein Gleichgewicht hergestellt. Bereits kleine Reize reichen oft aus um eine Veränderung bzw. Verbesserung zu bewirken. Solche Reize stellen Berühren, Bewegen und In-sich-Hineinspüren dar (6).
Die Feldenkrais-Methode wird in der Klinik Pirawarth als geschlossene Gruppe von maximal vier Personen angeboten, die Therapie findet zwei Mal pro Woche für jeweils 50 Minuten statt. Ohne Stress und Leistungsdruck bewegen sich die Teilnehmer (meist langsam), um mehr Sensibilität für sich selbst zu finden. Thematisch ausgewählte Bewegungen im Gehen, Sitzen und Liegen werden verbal angeleitet, diese sollen achtsam durchgeführt werden und die Experimentierlust wecken. Für den Parkinson-Patienten können solche Themen eine Veränderung des Bewegungsumfanges (z. B. Vergrößerung der Armschwungbewegung und der Schrittlänge beim Gehen), die Rumpfaufrichtung oder die Reduktion von fehlhaltungsbedingten Schmerzen sein. Jeder Übende entscheidet dabei selbst, welche Übung bekömmlich ist. Es werden keine Bewegungsideale beigebracht, sondern Lernprozesse durch reflektierte Selbstbeobachtung initiiert. Der Patient wird immer wieder aufgefordert nachzuspüren, wie sich der Körper oder die Körperteile anfühlen. Dadurch sollen die eigenen Bewegungsmuster bewusst und Alternativen dazu erspürt werden, es soll neue Beweglichkeit für Körper und Geist entstehen. Die Lernfähigkeit des Nervensystems wird optimal genutzt und das Erfahrene „unbewusst“ im Alltag umgesetzt (vgl. 5).
Mag. Edda Huber
Sportwissenschafterin
Abteilung Trainingstherapie
Verwendete Quellen:
(1) Friederich, H. Kleine Wände, große Wirkung. DAV Panorama. 2011 (4): 70-72.
(2) Reiter, M., Heimbeck, A., Müller, M., Vorderholzer, U. Bewegungstherapie und therapeutisches Klettern. DNP - Der Neurologe und Psychiater. 2014 (15); 3: 62-66.
(3) Ehweiner, S. Galoppi, M. Rohringer, I., Patzig, A. Leitfaden Therapeutisches Klettern. Klinik Pirawarth. 2017.
(4) Studie „Climbe up, Head up!“ der Medizinischen Universität Wien, online unter: http://neurologie.meduniwien.ac.at/sportklettern-mit-morbus-parkinson/home-climb-up-head-up/. Zugriff am 30.01.2018.
(5) Schmid, J. Leitfaden Aktive Entspannung – Feldenkrais. Klinik Pirawarth. 2011.
(6) Shafarman, S. Die Feldenkrais-Schule: Gesundheit und Wohlbefinden durch bewusstes Bewegen. Heyne: 2005 (6. Aufl.).